Der Wasserbrief von Gramastetten Am 21. Mai erhält ein Werk des Gemeinschaftsgeistes, die Marktwasserleitung von Gramastetten, ihre kirchliche Weihe. Der Prälat von Wilhering wird als Patronatsherr der Pfarre auf der alten Hochgerichtsstätte, dem "Urtel" das, das Kalvarienbergkirchlein krönt, eine Feldmesse lesen und um den freundlich in die Landschaft gestellten Hochbehälter daneben wird sich das Volk scharen, um vom Himmel zu erflehen, dass er das köstliche Nass nie versiegen lassen möge, dessen der auf hartem Granit erbaute Markt so sehr seit eh und je bedurfte. Schon vor über 300 Jahren fand der Ort mit den spärlichen Ziehbrunnen nicht mehr das Auslangen. Die Bürger traten an den damaligen Grundherren Hans Christoph von Gera, den Inhaber der Herrschaft Waxenberg und Pfandherren von Freystadt, mit der untertänigen Bitte um Gewährung eines Wasserrechtes. In einer weitschweifigen Urkunde, dem Wasserbrief - er erliegt im Landesarchiv - bewilligt der hohe Herr seinen Untertanen im "ein Tausend Sechshundert und dritten Jahr" die erste Wasserleitung "Dem Gmainen Markt zu Nutz" durfte das auf Georgen Oglstetters Grund und Boden im Buchwiesel gefundene Wasser in gebohrten Röhren in den Markt geleitet werden. "Für ewig und auf unwiderrufliches Ende" hatten die Erben und Nachkommen Oglstetters den Gramastettnern das Wasser zu überlassen, während diese wieder "zu unserer lieben Frauen Geburtstag zween und dreißig Pfennig der Herrschaft Waxenberg und Oglstetter Hoff sechs Schilling Pfennig Dienst zu reichen" hatten. Außerdem verpflichtete der Grundherr die Bittsteller und ihre Nachkommen, den Grund nicht zu schädigen. Das wurde 347 Jahre lang gehalten. Die Geldbeträge wurden auf fünf Gulden, später auf 15 Kronen abgeändert und zuletzt mit S 10.74 an das Oberstetter und S 25.- an das Hestindergut beglichen, da im Laufe der Zeit neue Quellen dazu gefasst worden waren. Die Holzrohre wurden durch Eisenrohre ausgewechselt, die alten aus Holzpfosten gezimmerten drei Kare, in die das Wasser auslief, wurden durch Zementbrunnen ersetzt, bis auch diese untauglich wurden. Große Holzbottiche kamen als Notlösung an die Reihe. Immer dringender wurde eine gänzliche Erneuerung und Vergrößerung der ganzen Anlage. In trockenen Jahren tropfte das Wasser wie aus Strohhalmen und im Winter 1928 gelangte man dazu nur durch einen tiefen, einige hundert Meter langen Schneegraben, der an eine Abzapfstelle der Rohrleitung führte. Der Brand von fünf Häusern am 5. Mai 1945 infolge der letzten Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg, die sich anbahnende Vergrößerung des Marktes und der zu erwartende Fremdenverkehr gaben den letzten Anstoß zur Errichtung einer neuzeitlichen Anlage. So wurde 1947 die Wasserwerksgenossenschaft gegründet. Tüchtige Männer kamen in den Ausschuss. Bürgermeister Josef Rath, Landesrat Franz Hartl und ihren Mitarbeitern ist es zu danken, dassnach Überwindung vieler Schwierigkeiten in Österreich der Bau der ersten Wasserleitung nach dem Zweiten Weltkrieg also in einer Notzeit wie kaum ja zuvor, begonnen und durchgeführt werden konnte. Hofrat Ing. Adolf Trappl, Reg. Oberbaurat Dipl. Ing Schutt, Bauleiter Hausleithner und Polier Steinkellner förderten den in Gemeinschaftsarbeit geleisteten Bau vorbildlich und die fehlenden Mittel stellte das Ministerium für Handel und Wiederaufbau zur Verfügung. Ohne Zwischenfall und Störung gelang das Werk. Es versorgt seit 12. Jänner 1950 um 15 Uhr in einer Rohrleitung von 4984 Metern aus sieben, bereits 1939 von einem Rutengänger festgestellten Quellen den aus 86 Häusern mit 642 Einwohnern bestehenden Markt und zwei Bauernhäuser in weniger als 24 Stunden mit 100,5 Kubikmeter, d.s. 100.500 Liter Wasser. Sechs Hydranten sind des Heiligen Florian modernisierte "Sechter" zur Bekämpfung etwaiger Brände. Die drei Wasserkare wurden geschleift. Eimer, Tröge, Wasserfässer, Spritzkrüge sind überflüssig geworden und den fleißigen Frauen und Mädchen bleibt die Zeit des Anstellens ums Wasser zu anderen Arbeiten. Auch Klatsch und Tratsch sind um günstige Plätze gekommen. Aber es werden neue Gelegenheiten gefunden werden, wo (ins Mühlviertlerischen übertragen) "d Lisl von da Zilli gherte Neuigkeiten über die Waberl der armen Gretl zuastöcka kann." In einer mit Plänen, Tabellen und Bildern reich geschmückten Denkschrift hat der Chronist des Marktes, Kaufmann Hugo Gielge, die Geschichte der Wasserleitung von Gramastetten für die kommenden Geschlechter niedergelegt und das Werk selbst wird Kind und Kindeskind immer sagen, dass nur Friede und Gemeinsinn zum Wohle aller führen. m.h. Samstag, 20. Mai 1950 Mühlviertler Bote |