Mühlviertler Nachrichten 7. Jänner 1971
Nicht nur Krapferl aus Gramastetten
Die Gemeinde hat sich bereits dafür entschieden
In zwei Lager gespalten scheint derzeit die Gemeinde Gramastetten zu sein. Nach außen ist alles klar: Am 19. Dezember hatte der Gemeinderat mit 14 gegen sechs Stimmen beschlossen, die Firma „Sonax-Chemie“ die Errichtung eines Gewerbebetriebes in Gramastetten zu gestatten. Während andere, nicht ganz so finanzschwache Gemeinden wie Gramastetten jedem Interessenten für Betriebsgründungen nahezu die Tür einrennen, war man in Gramastetten bisher ein wenig skeptisch. Nicht alle, versteht sich, sondern nur ein Teil – und manchmal hat es den Anschein, als wäre es nur ein Bruchteil, allerdings einer, der über einigen Einfluss verfügt. Vielleicht ist es nur der Firmenname, der einige stört. Auf „Sonax“ folgt das Wort „Chemie“ – und das hat allgemein einen Beigeschmack nach Luftverschmutzung, Geruchsbelästigung, Wasserverunreinigung usw. Sonax- Prokurist Wilhelm Herzog hatte allerdings in seiner ersten Eingabe an den Gemeinderat von Gramastetten und später vor der Abstimmung auch mündlich dargelegt, dass von allen diesen „chemischen Gefahren“ keine Rede sein könne. Seine Firma, die vorerst nur den Handelsbetrieb mit Fertigprodukten aufnehmen will, hat einen guten Namen als Hersteller von Autopflegemitteln, die auch über die großen Mineralölfirmen, über Autofahrerorganisationen und Autofirmen vertrieben werden.
Auch wenn später eine Produktion in Gramastetten in neuen Fabrikshallen aufgenommen werden sollte, wird es kein Abwasserproblem geben, weil keine Abwässer vorhanden sind, denn die Aufgabe des Betriebes wird sein, Mischungen herzustellen – und keine Rohprodukte. Gemischt werden vor allem Lösungsmittel (zum Beispiel Alkohol), Wachse und Erden in großen, elektrisch geheizten Kesseln, die im Ölbad stehen. Dann werden die Mischprodukte in Flaschen abgefüllt. Dabei geht nichts verloren. Zur Sicherheit – falls einmal ein Alkoholfass oder etwas anderes umfallen und auslaufen sollte – wird eine Vorkehrung gebaut, die als Benzin- und Öl-abscheidung funktioniert. Im Übrigen sind alle Produkte der Sonax-Chemie biologisch völlig abbaubar. So erklärt und versichert es die Firma.
Es hieß nun kürzlich in einer Mitteilung an die Presse, dass „alle für den Fremdenverkehr verantwortlichen von Gramastetten aus Protest gegen die Genehmigung der Betriebsgründung durch den Gemeinderat zurückgetreten sind“. Gemeinderat Mayr von Gramastetten, nach wie vor Fremdenverkehrsreferent der Gemeinde, weiß davon nichts. Er weiß vielmehr, dass es in Gramastetten gar keinen Fremdenverkehrsverband gibt – vielleicht gab es daher auch weniger Initiativen bisher -, lediglich ein Proponentenkomitee für einen Heimatverein. Wo aber keine Funktionäre sind, könne logischerweise auch niemand zurücktreten, sollte man meinen. Warum entscheidet sich Prokurist Herzog trotz aller Schwierigkeiten für Gramastetten und nicht für die wesentlich günstigeren Angebote zum Beispiel von Gallneukirchen oder Lichtenberg? Er ist durch verwandtschaftliche Beziehungen ein Wahl-Gramastettner; das Grundstück beim Rodlberg ist bestens geeignet (nur ein kurzes Stück zur Ortskanalisation, Nähe zum künftigen Postamt und damit zur Fernschreiberverbindung, ebene Lage im unverbauten Gebiet, Anschlussmöglichkeit zur Straße usw.); Bahnverbindung ist nicht notwendig, weil den Transport firmeneigene Lastwagen besorgen.
Gastwirt Baumgartner, der das etwa 10 000 m² große Grundstück verkauft hat, ist froh, dass er nun Bargeld erhält, denn er hat vor, demnächst seinen Gastbetrieb auszubauen – womit Gramastetten dann endlich einige Fremdenzimmer zu einem gemütlichen Lokal bekäme.
Da die Entscheidung ohnehin schon gefallen ist, werden – so hoffen die Leute der Sonax-Chemie und die Gemeinderäte, die dafür gestimmt haben – alle Quertreibereien aufhören.
Nächste Woche lesen sie hier einen Leserbrief eines Gramastettners der einen Skandal beschrieb wie mit den Wünschen und Forderungen der Bevölkerung umgegangen wird…..